Freitag, 15. März 2013

Wann ist der Mann ein Mann?

 – Workshop


Während Prof. Dr. Michael Meuser die neue Männlichkeitsrolle in der Wissenschaft untersucht, bringt Eldem Turan aus dem Projekt HEROES, in dem es um das Aufbrechen patriarchalischer Denkmuster bei jungen Männern geht, pädagogische Praxiserfahrungen mit sich. Die Ansätze sind zwar unterschiedlich, ein gemeinsamer Nenner lässt sich trotzdem finden.

 

Fotos: Monika Keiler

Seit 2007 lehrt Prof. Dr. Michael Meuser an der Technischen Universität Dortmund am soziologischen Institut mit dem Schwerpunkt Soziologie der Geschlechterverhältnisse. In seinem Vortrag "Neudefinitionen von Männlichkeit zwischen Erwerbsarbeit und Familie?" ging er darauf ein, inwiefern die Bereiche Beruf und Familie das Männlichkeitsbild auszeichnen.
 

Bis in die Siebzigerjahre, erklärte Meuser, identifizierten sich Männer primär mit ihrem Beruf anstatt mit ihrer Familie. Der vollzeitbeschäftigte Mann als Familienernährer galt als "Normalarbeitsverhältnis". Im Zuge des Strukturwandels der Erwerbsarbeit von einer Industrie- zur Informationsgesellschaft, sowie der Flexibilisierung und Feminisierung des Arbeitsmarktes wurden Männlichkeitsentwürfe jedoch zunehmend vor Herausforderungen gestellt. Tradierte Muster der Geschlechterwahrnehmung brachen auf und wurden neu interpretiert. Meuser legte dar, dass Männer seitdem diversen Erwartungshaltungen gerecht werden müssten, nämlich zum einen seitens ihrer Partnerinnen und zum anderen auch ihres Berufs. So fordern neue Entwürfe von Männlichkeit ein stärkeres Engagement von Männern in der Familie wohingegen tradierte Denkbilder die materielle Macht von Männern verlangen.

Männer würden somit im ständigen Konflikt zwischen neuen und tradierten Männlichkeitsnormen stehen. Engagieren sie sich in ihrer Vaterrolle, so kann dies einerseits von ihren Partnerinnen als etwas Besonderes hervorgehoben werden, andererseits könne sich aber auch ein Machtkampf der Geschlechter entwickeln, so Meusers Feststellung. Während Männer soziale Anerkennung für ihr Engagement in der Familie erhielten, müssten Frauen sich bei geringerer Beteiligung am aktiven Familienleben als Rabenmütter beschimpfen lassen. Deshalb sei es laut Meuser oft der Fall, dass Frauen die im kleinbürgerlichen Weltbild etablierte Haltung, Erziehung sei eine weibliche Domäne, bewahren wollten. 

Zudem bestünden auch im Berufsleben Widerstände gegen neue Männlichkeitsentwürfe. Durch das Einführen einer Quote, dem sukzessiven Wegfallen des Normalarbeitsverhältnisses und dem neuen Familienbild verändere sich die gewohnte Rollenverteilung am Arbeitsplatz. Die Suchbewegung nach der "richtigen" Männerrolle, schilderte Meuser, schaffe Irritationen und Konflikte


Überdies stellte er das Paradoxon auf, dass Frauen sich einerseits in ihren Partnern neue Eigenschaften wünschten, andererseits aber ebenso nach tradierten Werten Ausschau hielten. Dies bestätigte Eldem Turan. Erfahrungsgemäß zeige sich, dass Frauen eine finanziell unterstützende Komponente ihrer Partner als Vorteil empfänden und bereit seien, für die Erziehung des Kindes zuhause zu bleiben. Dabei versucht sie im Namen des Projekts HEROES gerade diese tradierten und patriarchalischen Denkmuster aufzubrechen. Junge Männer im Alter von 16 bis 23 Jahren erleben diese Bildungsarbeit in zwei Schritten. Zunächst werden verschiedene Themen wie Identität, Sexismus, der Begriff Ehre und nicht zuletzt persönliche Fragen in der Gruppe besprochen. Danach gehen die jungen Männer in Schulklassen und Jugendclubs und stellen dort eine zentrale Frage: Was ist Ehre? 

Der Begriff Ehre wird häufig mit der Kultur des Islams in Verbindung gesetzt. Tatsächlich existiere er aber genauso stark in westlichen Kreisen, trage dort bloß nicht dieselbe Bedeutung. Mithilfe von praktischen Methoden, wie Rollenspielen, sollen Jugendliche Konfliktsituationen zwischen Männern und Frauen lösen. Das Ziel der Arbeit der HEROES ist es, Alternativen aufzuzeigen und starre Geschlechternormen aufzulösen. Anstatt eines spezifischen Männlichkeitsbildes soll die Vielseitigkeit jenseits von Stereotypen vermittelt werden. 

Nicht nur Jungen, sondern auch Mädchen sind an dieser Stelle betroffen. Diese akzeptieren männliche Privilegien häufig und hinterfragen sie selten, erklärte Turan. So entstünden automatisch Erwartungshaltungen an heranwachsende Männer. In sozial schwächeren Milieus mangele es Jungen und Mädchen außerdem oft an Vorbildern, die emanzipatorische Perspektiven bieten. Gerade in den Medien würde von MigrantInnen ein einseitiges Bild präsentiert, in das sie sich häufig hineindrücken ließen. Dass es für eine funktionierende Partnerschaft keine patriarchalischen Verhältnisse braucht, zeigt Turan den jungen Männern. Sie erklärt ihnen, dass selbstbestimmte und -bewusste Partnerinnen keinen Machtverlust bedeuten, sondern dadurch vielmehr ein gemeinsames Wachsen ermöglicht werde. Text: HY


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